Der erste Weltkrieg by Volker Berghahn
Author:Volker Berghahn [Berghahn, Volker]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 3406627153
Publisher: C.H.Beck
Published: 2003-02-28T23:00:00+00:00
IV. Der Erste Weltkrieg ‹von unten›: Front und Heimatfront
1. Bevölkerung und Kriegsausbruch
Während die Staatsmänner und Diplomaten Bündnisse aushandelten und Ministerialbürokraten zusammen mit den Führern aus Industrie und Landwirtschaft fern der Front die Produktion und Versorgung zu organisieren versuchten; während Professoren und Journalisten in ihren Studierstuben patriotische Zeitungsartikel und Pamphlete verfassten und die Generäle den nächsten Großangriff vorbereiteten, erfuhren Millionen von einfachen Soldaten und Zivilisten den Weltkrieg auf eine andere Weise.
Im August 1914 hatten sie alle den Kriegsbeginn auf zahllosen Massenversammlungen und Demonstrationen in Städten und Dörfern noch gemeinsam erlebt. Fragt man nach ihren Reaktionen auf die dramatischen Ereignisse Ende Juli und Anfang August, wird man zwei Faktoren bedenken müssen. Erstens glaubten sie alle – gleich welcher Nation sie auch angehörten –, dass ihr Land das angegriffene war. Selbst wenn wir heute wissen, dass die Eskalation der Krise bis zum Weltkrieg in erster Linie von den Entscheidungsträgern in Wien und Berlin ausging, waren die Deutschen und Österreich-Ungarn durchweg überzeugt, von den anderen Großmächten in einen Verteidigungskrieg gestürzt worden zu sein. Diese Überzeugung dominierte mutatis mutandis auch die Einstellungen der Franzosen, Russen und Engländer.
Zum Zweiten hatten die allermeisten von denen, die zu den Versammlungen strömten und sich die Verlesung der Kriegserklärungen anhörten, keine Ahnung, was für ein Krieg ihnen bevorstand. Zwar hatte es vor 1914 einige Stimmen gegeben, die warnten, dass ein Krieg zwischen den industrialisierten Großmächten Europas für Wirtschaft und Gesellschaft katastrophale Folgen haben würde; doch wurden diese Schriften und Reden von der Bevölkerung nie richtig rezipiert. Auch wenn etwa die deutschen Sozialdemokraten vor ihren Wählern vom «großen Kladderadatsch» sprachen, so dachten sie eher an die progressiven Veränderungen, die die Konflikte zwischen den Kolonialmächten, das Ringen um Märkte und die erwartete Krise des Kapitalismus für die proletarischen Massen bringen würden. Wie ein Zukunftskrieg an der Front und Heimatfront im Einzelnen ablaufen würde, darüber gab es nur vage Stammtischvorstellungen. Und wer damals Science-Fiction-Romane las, war eher von der dort liebevoll geschilderten utopischen Technologie fasziniert und dachte über die Tödlichkeit neuer Waffen und Kriegsmaschinen nicht weiter nach.
So kam es, dass in der Bevölkerung meist Vorstellungen von einem zukünftigen Krieg bestanden, die aus den Erfahrungen mit dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 stammten. Man erwartete einen kurzen Zusammenstoß zwischen zwei Armeen, aus dem die eine schnell als Sieger hervorgehen würde. Dass es gegen Ende jenes Konfliktes zu Manifestationen eines totalen Volkskrieges gekommen war, hatten bis 1914 selbst viele Berufsoffiziere, die es besser hätten wissen müssen, verdrängt. Folglich machte im August das Wort die Runde, dass man bis Weihnachten des Jahres wieder zu Hause sein werde.
Während der Glaube an einen schnellen Sieg der eigenen Seite die versammelten Massen gewiss beflügelte, haben neuere Forschungen gezeigt, dass die Begeisterung selbst für einen kurzen Verteidigungskrieg wohl doch nicht so groß war, wie sie über Jahrzehnte hinweg in den Geschichtsbüchern geschildert worden ist. Wer zu den Versammlungen ging und sich die patriotischen Reden der Politiker anhörte, wurde vielleicht mitgerissen, wenn die Zuhörer um ihn herum in Jubel ausbrachen. Aber so mancher scheint auch deshalb gejubelt zu haben, weil ein dumpfes Schweigen in dieser Umgebung Unverständnis und Feindseligkeit hervorgerufen hätte.
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